18. Juni 2012

Jens Priewe kauft ein – Flüssige Demokratie

“Piraten entdeckt Jens Priewe auch in den Weinbergen – und freut sich auf frische Newcomer für den Sommer”.

“Politik soll auf dieser Seite eigentlich keine Rolle spielen. Aber ein Begriff, der in den vergangenen Wochen durch die Presse geisterte, beschäftigt mich. Er heißt Liquid Democracy. Die Piraten haben ihn geprägt. Ich finde die flüssige Demokratie passt viel besser zum Wein als zur Politik. Zum einen, weil es beim Wein wirklich um Flüssiges geht. Zum anderen, weil in allen Weinbauländern Europas junge, tüchtige, noch namenlose Winzer nach oben drängen, aber immer wieder an Grenzen stoßen. Der Handel bevorzugt bekannte Namen. Die Presse berichtet lieber über Winzerstars. Weinführer prämieren gerne, was schon andere vor ihnen für preiswürdig gehalten haben. Demokratie ist eine tolle Sache. Aber ein bisschen zäh ist sie geworden, zumindest in Deutschland. Etwas flüssiger wäre besser.

Da bin ich dann auch schon bei Mathias Wolf. Dieser 23-jährige Jungwinzer der mit seinem Vater zusammen ein kleines Gut in der Pfalz betreibt, hat mir die Notwendigkeit von Liquid Democracy im Weinsektor deutlich gemacht. In keinem der großen Weinführer ist sein Betrieb gelistet. Keine größere Zeitung hat je über ihn geschrieben. Nur als er im April beim Wettbewerb “Die junge Südpfalz – da wächst was nach!” den ersten Platz in der Kategorie Riesling belegte, veröffentlichte die Lokalzeitung eine kleine Notiz. Tatsächlich ist sein trockener 2011er Riesling aus der Lage Birkweiler Kastanienbusch ein extrem eleganter, von kühler Mineralität geprägter Wein, der feiner ist als die meisten Gutsweine bekannter pfälzischer VDP-Güter. Dies auszusprechen würde sich der schlaksige junge Mann nie trauen. Er lebt noch bei seinen Eltern, bekommt nicht einmal ein eigenes Gehalt, genießt also noch Welpenschutz, um in der Piratensprache zu bleiben. Aber er weiß: “Verstecken muss ich mich nicht.”

Ich gestehe, so einen guten Riesling der Kabinett-Kategorie habe ich lange nicht mehr getrunken. Schon gar nicht für beschämende 4,70 Euro (www.weingut-wolf-birkweiler.de). Dieser Wein steht auf meinem Einkaufszettel ganz oben.”
Jens Priewe stammt aus Schleswig-Holstein und stu­dierte Wirtschafts- und Sozi­al­ge­schichte. Von 1972 bis 1990 als poli­ti­scher und wirt­schafts­po­li­ti­scher Redak­teur für ver­schie­dene Zeit­schrif­ten und Nach­rich­ten­ma­ga­zine. Seit 1991 schreibt er aus­schließ­lich über das Thema Wein. Er ist regel­mä­ßi­ger Mit­ar­bei­ter der Zeit­schrift Fein­schme­cker und hat ein knap­pes Dut­zend Bücher über Wein ver­fasst. Die erfolg­reichs­ten waren: “Ita­li­ens Grosse Weine” (1987), „Wein – die kleine Schule“ (1993), „Wein – die neue große Schule“ (1997) und „Grund­kurs Wein“ (2011). Sie wur­den teil­weise in 14 Spra­chen über­setzt. Dazu schrieb Priewe die Dreh­bü­cher zu einer 15-teiligen Fern­seh­se­rie zum glei­chen Thema, die 1999 vom Baye­ri­schen Fern­se­hen pro­du­ziert und in der ARD aus­ge­strahlt wurde. 2006 erhielt er den Prix du Cham­pa­gne Lan­son. Priewe lebt seit über 30 Jah­ren in München.
Quellen:
Auszug aus “DER FEINSCHMECKER” (http://www.der-feinschmecker.de), Ausgabe 2012/06


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